Das Ruhrgebiet sucht die Super-Stadt

WAZ vom 19. März 2010

Montag informiert der Initiativkreis über die Ausschreibung für die Energiesparstadt – Milliarden-Investitionen winken

 

Das Revier sucht die Superstadt – und am kommenden Montag können sich die Stadt-Oberen schon mal informieren, was von ihnen für den Zuschlag verlangt werden wird. Das Projekt Öko-Stadt, vom Initiativkreis Ruhr (IR) noch etwas sperrig unter dem Arbeitstitel Innovation-City geführt, startet auf der Zeche Zollverein in die heiße Phase.
Die Liste der Interessenten ist lang. Schließlich geht es um nicht weniger als darum, aus einer Stadt oder einem Stadtteil mit 50 000 Einwohnern ein weltweit einmaliges Energiesparmodell zu machen – mit energetischer Gebäudesanierung, Bioerdgas, Erdwärme, Windrädern, Kleinst-Blockheizkraftwerken und anderen Arten der dezentralen Energieversorgung. Elektrobusse und eine Flotte aus 500 E-Mobilen sollen bereits zügig das Straßenbild der Öko-Stadt bereichern.
Derzeit arbeitet Alfred Oberholz, der das Projekt für den IR koordiniert, an den Ausschreibungsbedingungen. Die dürften die Planer aus den 53 Ruhrgebietsstädten am Montagabend besonders interessieren. Schließlich winken nicht nur enorme Investitionen: Das Ziel, den Kohlendioxidausstoß bis 2020 zu halbieren, dürfte schätzungsweise bis zu 2,5 Milliarden Euro Investitionen mobilisieren. Auch die öffentliche Aufmerksamkeit ist sicherlich der Schweiß der Edlen wert. Bereits heute zählt der Initiativkreis, ein Zusammenschluss aus 59 Unternehmen der Region, etwa 15 bis 20 Medienanfragen täglich, auch aus Polen und Russland.
Die Resonanz aus dem Ruhrgebiet wird vom IR als „gut“ bezeichnet, viele Unternehmen und bisher 40 Ruhrgebietsstädte von Haltern bis Breckerfeld hätten sich für Montag angemeldet. Von den Großstädten schicken dem Vernehmen nach Bochum und Dortmund einen Vertreter.
Auch andere sind rührig. Nach Informationen unserer Zeitung haben sich Herten und Gelsenkirchen mit der RAG Montan Immobilien GmbH zusammengetan, um eine Bewerbung abzugeben für den nördlichen Teil Gelsenkirchens und das westliche Herten. Das Trio will Geothermie und Grubengas ebenso nutzen wie die Abwärme vom Kraftwerk Scholven. 65 Prozent der Bausubstanz im Bewerbungsgebiet seien älter als 50 Jahre – mit entsprechendem Potenzial zur Energieeinsparung. Auch Bottrop, heißt es, wird eine Bewerbung einreichen, Schwerte zeigt ebenso Interesse wie die Emscher-Region.
Die Chance scheint erkannt. In der Tat ist es ein weltweit einmaliges Unterfangen, eine alt-gewachsene Stadt mit Blick auf die Energieeinsparung zu erneuern, aber in Struktur und Lebensumfeld zu erhalten. Das ist der gravierende Unterschied zu ähnlichen Projekten im schwedischen Malmö oder Masdar City in Abu Dhabi, die eher Retortenstädte sind. 20 IR-Unternehmen, darunter Eon, Evonik, Siemens, ThyssenKrupp, haben ihr Engagement zugesagt. RWE verzichtet auf eine Teilnahme.

< zurück