Politik, heißt es heute gerne, könne kaum noch etwas bewegen, und die Politik auf Landesebene schon gar nicht. In Nordrhein-Westfalen hat die siegesgewisse Opposition ein Thema entdeckt, das fast symbolhaft den Abschied vom Alten und den Weg in eine lichte Zukunft verkörpern soll: den Ausstieg aus der Kohle. Die hochsubventionierte deutsche Steinkohle, eine klassische Altindustrie von vorgestern, erscheint in dieser Sicht als Hemmnis für das Land. Gleichzeitig stellt sich der Kanzler hinter den Bergbau und den Kohle-Konzern RAG, der sogar an die Börse will. Industrieromantik zu Wahlkampfzwecken?
Leider sind die Dinge nicht ganz so einfach, wie die Opposition in Düsseldorf behauptet. Gewiss ist die Vision schön, dass statt düsterer Zechen im Ruhrgebiet lauter kleine High-Tech-Firmen entstehen, Solarenergie und Biotechnologie neue Arbeitsplätze schaffen. Jeder, der je versucht hat, die frühere Montanstadt Gelsenkirchen zur „Solarstadt" oder Ähnlichem umzubauen, weiß genau, wie mühsam, oft unmöglich solcher Strukturwandel ist und dass er über Ansätze oft jahrzehntelang nicht hinauskommt.
Von den vielen Arbeitsplätzen abgesehen, die direkt oder indirekt an der Kohle hängen, ist auch der Verweis auf die Kräfte des Marktes, denen die teure deutsche Kohle nicht gewachsen sei, nicht fair. Mit Zechen in der dritten Welt oder in Russland kann der Bergbau hierzulande gar nicht konkurrieren, da er Umwelt- und Sicherheitsstandards beachten muss, die dort völlig unbekannt sind.Wer den Kohle-Standort Deutschland erhält, verhindert zudem die völlige Abhängigkeit von Importen aus solchen Ländern. Die deutsche Kohle, schon oft totgesagt, hat eine Zukunft.